Baden-Powell

Von 1947 bis 1966 war ich aktiv Pfadfinder und leitete von 1962-1966 den Bund Deutscher Pfadfinder als 1. Vorsitzender. 1966 hielt ich als erster Deutscher einen Vortrag auf der Internationalen Trainingskonferenz des Weltbundes der Pfadfinder.
Intensiv befaßte ich mich mit dem Gründer der Pfadfinder, Baden-Powell (1857 - 1941).

Baden-Powells Entdeckung

Baden-Powell ging von Erfahrung aus und nicht von idealistischen Vorstellungen.
Darum ist er in Deutschland weder von Pädagogen noch von der Jugendbewegung beachtet worden.
Seine Pfadfinder gibt es heute noch, während die deutsche Jugendbewegung vergangen ist.
Ich suchte nach den Gründen und fand, daß er drei wichtige Entdeckungen gemacht hatte.

  1. Das Patrouillen- oder Sippensystem mit Gesetz und Versprechen. Hier nahm er die Kleingruppendynamik vorweg, die 1941 von Kurt Lewien entwickelt wurde. Baden-Powell fand, daß Jungen in Gruppen von 6-8 starke Energien entfalten, Fähigkeiten entwickeln und verläßliche Beziehungen aufbauen, aus denen für die menschliche Gesellschaft nützliche Wertvorstellungen entstehen
    Diese Wertvorstellungen sind nicht als Ideale oder als moralische Werte vorgegeben, wie traditionelle Pädagogik lehrt, sondern sie entwickeln sich im Kindesalter durch Beispiel und als Erfahrung innerhalb der kleinen Gruppe, so daß auch Überprüfung möglich ist. Erst dann werden sie zu festen Werten.
  2. Die tägliche gute Tat bringt bei Jungen stärkere Veränderungen hervor als große Ziele. Heute lassen Therapeuten Menschen sich in kleinen Schritten verändern.
  3. Lob und Anerkennung waren seine Erziehungsmittel. Darin unterschied er sich von zeitgenössischer Erziehung, die voller Überzeugung Tadel und Strafen bis hin zur Prügelstrafe für völlig normal hielt. Heute haben Hirnforscher nachgewiesen, daß Lernen durch positive Verstärkung erleichtert wird. In der Öffentlichkeit ist Erziehung immer noch negativ besetzt.

Baden-Powells Aktualität

In seinem Programm spielt Leben im Freien mit seinen Abenteuern und Herausforderungen eine große Rolle.
Pfadfinden ist also keine Idee, sondern die Entdeckung natürlicher Kräfte. Sie werden in der Erziehung von 11 Millionen Pfadfindern auf der ganzen Welt angewandt.

Baden-Powell überschätzte die Wirkung von Moral. Er wußte nicht, daß Moral ihre Kraft aus gelungenen und verläßlichen menschlichen Beziehungen erhält. Als herausragendes Mitglied der englischen Gesellschaft war die Versuchung zu groß, deren moralische Dogmen ungefragt zu übernehmen.In der Hoffnung, Pfadfinden methodisch lehrbar zu machen. Moralpredigten sind wirkungslos. Dennoch kann man sie überall hören.

Methoden sind in der Erziehung sehr beliebt. Methoden sind notwendig und angebracht bei Sachen und bei Verfahren. Wendet man sie bei Menschen an, behandelt man sie wie eine Sache und muß sich darüber im Klaren sein. Methodisches Vorgehen schränkt Offenheit ein und behindert Kreativität. Gottes Gnade, Kunst und Liebe haben keine Methode. Gegenteil von Methode ist offenes Gespräch, dessen Ausgang vom Gruppenleiter nicht vorherbestimmt ist. Baden-Powell sprach zwar viel von Methoden, Erfolge aber hatte er im offenen Gespräch.

Baden-Powell betrieb keine vormilitärische Erziehung. Als ehemaliger und erfolgreicher Soldat kannte er Schwächen militärischer Erziehung nur zu gut. Um dem abzuhelfen schrieb er "Aids to scouting" Entsprechendes galt für schulische Erziehung.
Heute kann pfadfinderische Erziehung helfen, dauerhafte menschliche Beziehungen zu schaffen in einer Welt, die zunehmend beziehungslos wird.

Frieden - Durch das Erlebnis des Massensterbens im ersten Weltkrieg erkannte Baden-Powell, daß Frieden notwendig ist. Seine Friedensbotschaft nach dem Waffenstillstand 1918 drückt seinen Friedenswillen klar und deutlich aus. Er sah Frieden in praktischer Arbeit, nicht in Ideologie.

Mehr darüber steht in meinem Buch: Pfadfinder - der Zeit voraus, 132 Seiten, erschienen im Deutschen Spurbuch Verlag (Preis 12,80 €, ISBN 3-88778-262-3).

Seit Dezember 2007 ist die deutsche Übersetzung von Tim Jeal: Baden-Powell im vdL Verlag erschienen. Es kostet 35,00 €, ISBN 978-3-926308-11-5.
Das Buch liest sich sehr gut und hilft, Baden-Powell in Deutschland bekannt zu machen.